HINTER DEN KULISSEN
Die Chiptune-Meisterin
Super Hexagon
Chipzel – die Komponistin der Soundtracks von Super Hexagon, Spectra und anderen Spielen – stammt aus einem sehr musikalischen Haushalt.
„Jede irische Familie ist irgendwie musikalisch veranlagt“, erzählt Chipzel, die eigentlich Niamh Houston heisst. „Wir trafen uns oft zu einem gemütlichen Beisammensein und irgendjemand hatte immer eine Gitarre, eine Blechflöte oder eine Flachtrommel dabei und spielte Folksongs oder Pop-Hits. Das war eine sehr wertvolle Erfahrung.“
Heute hört sich ihre eigene Musik allerdings ganz anders an.
Seit mehr als zehn Jahren hat sie sich auf Chiptunes spezialisiert – Musik, die mit nostalgischen 8-Bit-Spielekonsolen und ähnlichen elektronischen Geräten aus der Mottenkiste erzeugt wird. Hast du schon mal einen Dance-Track gehört, der wie ein Nintendo-Spiel aus den 90er-Jahren klingt? Das ist ein Chiptune. Die ersten beiden Wörter in Chipzels Biografie auf Twitter lauten: „Bleep bloop“.
Mit gerade mal zwei modifizierten Game Boys wurde Chipzel zu einer echten Chiptune-Meisterin: Sie komponierte den Soundtrack zum extrem anspruchsvollen Puzzle-Klassiker Super Hexagon, veröffentlichte fünf Alben, hat einen vollen Tourplan und war zudem auch für den Soundtrack von Dicey Dungeons verantwortlich, dem neuesten Spiel des Entwicklers von Super Hexagon. Wir haben mit Chipzel in ihrem Haus in Irland über die Feinheiten des Whoosh-Sounds und des Game Boy-Jazz geplaudert.
Wie bist du zu den Chiptunes gekommen?
Anscheinend hatte ich als missverstandener Teenager ständig Kopfhörer auf. Ich hab zuerst Imogen Heap, Breaking Benjamin und Alexisonfire gehört, stand aber dann auf Trance und House, weil ich es einfacher fand, mich auf die Struktur dieser progressiven Musik zu konzentrieren. Diese Tracks waren für mich sehr wichtig, weil ich hören konnte, wie Melodien mit Rhythmen interagieren und wie man einen Song so zusammenstrickt, dass er stimmig ist.
Wie sahen deine ersten Ausflüge in diese Welt aus?
Ich glaube, „Tokyo Boy“ von Sabrepulse war einer der ersten Chiptune-Tracks, die ich gehört habe. Das war während meiner Trance-, Hardcore- und Euro-Rave-Phase – also das ganze 4-to-the-floor- und 220-bpm-Zeug. Ich hab den Song gehört und dachte: „Ach du meine Güte, diese Sounds hab ich noch in keinem Spiel gehört – wie haben die das gemacht?“
Ich hab also nach „Sabrepulse“ gesucht und bin auf diese Community gestossen, die Retrokonsolen gehackt und auf Commodore 64ern und Amigas Pixelkunst gemacht hat. Aber das Beste war, dass Tausende von Leuten jeden Tag Musik gepostet haben. Es war eine ganz eigene Welt.
Was hat dich dazu gebracht, selbst Musik zu machen?
Ich hab einfach angefangen, Fragen zu stellen und hab dann irgendwann Little Sound Dj [Musiksoftware für den Game Boy] entdeckt, was ich auch noch immer verwende. Etwa eine Stunde lang hab ich im Handbuch geblättert und dann beschlossen, dass mir das als Info erst einmal ausreicht. Irgendwie habe ich herausgefunden, wie ich auf die Tasten drücken muss, damit ein Sound entsteht – und das war’s. Mein erster Song war eine absolute Katastrophe. Aber ich vermute mal, der Ansatz war eigentlich gar nicht so schlecht.
Kann man einen Game Boy eigentlich noch online kaufen?
Na klar, obwohl sie früher billiger waren. Die Kids von heute fahren total auf Chiptunes ab.
Du hast bei Super Hexagon mit Terry Cavanagh zusammengearbeitet und dann sechs Jahre später erneut bei Dicey Dungeons. Wie ist der Kontakt entstanden?
Ich mag Terrys Spiele und er mag offensichtlich meine Musik. Bei Dicey Dungeons habe ich eine Menge neuer Aufgaben übernommen: Ich war für alle Audioinhalte, Voice-Overs, die Soundeffekte für Schwerter, Metall und Pfeile und auch für den „Whoosh“-Sound zuständig. In meiner Mediathek gibt es jede Menge davon – „Whoosh #1“ und „Whoosh #2“.
Wie hat sich das Sounddesign für Dicey Dungeons von deinen früheren Arbeiten unterschieden?
Alles fühlt sich geschliffener an, aber im Kontext des Spiels funktioniert das. Ich hab all diese Jazz-, Funk- und Disco-Riffs dafür zerlegt. Ich bin sicher, es gibt eine Möglichkeit, Jazz auf einem Game Boy zu komponieren, aber ich weiss noch nicht wie.
Hand aufs Herz: Wie weit bist du in Super Hexagon gekommen? Du brauchst dich nicht zu schämen – es ist extrem schwierig.
Eigentlich ist es ja peinlich, aber ich hab ein paar Sekunden im zweiten Level geschafft und dann aufgegeben. Ich hab Super Hexagon einmal während einer Turbulenz im Flugzeug gespielt und das war echt berauschend. Ich empfehle allen, das auch mindestens ein Mal auszuprobieren.