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Eine Geschichte aus dem Herzen

Simon Flesser über die Entstehung von Sayonara Wild Hearts.

Sayonara Wild Hearts

Ein Pop-Album-Videospiel

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Sayonara Wild Hearts zu beschreiben, ist so wie das Spiel selbst: eine Herausforderung – selbst für den Entwickler der App.

„Wir nannten es ein ‚Pop-Album-Videospiel‘“, erklärt der Mitbegründer des Entwicklungsstudios Simogo, Simon Flesser. „Und wir bezeichneten es als verträumtes Arcade-Spiel über Frauen, die auf Motorrädern durch eine surreale Stadt jagen, Schwerter schwingen und mit Lasern schießen.“

Nach kurzem Innehalten sagt Flesser: „Das war die Kurzversion.“

Total abgefahren.

Doch das trifft den Nagel so ziemlich auf den Kopf. Sayonara Wild Hearts liegt irgendwo zwischen einem Spiel und einem Musikvideo aus den 80ern. Es ist eine Hochgeschwindigkeits-Achterbahn, ein Tanz-Battle und ein Wettrennen durch Neonwälder.

Zudem hat es in der Geschichte von Videospielen wohl nie eine adrenalingeladenere Heilung eines gebrochenen Herzens gegeben – und das auch noch in kantiger, leuchtend rosa- und lilafarbener Optik.

Bei solch dramatischen Einzelheiten könnte man meinen, dass das Spiel pixelgenau durchgeplant war. Laut Flesser ist dem gar nicht so. Tatsächlich sei sogar das Gegenteil der Fall.

„Ich habe festgestellt, dass ein Projekt dir selbst die Richtung weist“, sagt er. „Manchmal musst du ihm keine neuen Puzzleteile hinzufügen – vielmehr bringt das Projekt die Teile zu dir.“

„Wie der Wind im Haar“

Das erste Teil des Sayonara-Puzzles: Geschwindigkeit. „Als Basis wollten wir etwas Unmittelbares und Zugängliches“, so Flesser. „Ich wollte schon immer etwas erschaffen, das sich anfühlt, als würde einem der Wind durch die Haare fahren. Zudem hatte unser Programmierer Magnus ‚Gordon‘ Gardebäck gerade wieder angefangen, Motorrad zu fahren. So kamen wir zu der Grundidee.“

Beim zweiten Teil ging es darum, Charaktere für das Spiel auszuwählen. Flesser hatte sich mit den Figuren auf Tarotkarten beschäftigt, als er eine völlig andere Richtung einschlug. „Ich las etwas über die Teddy-Girl-Kultur der 50er-Jahre in Großbritannien: die coolen Jacken, die Frisuren, der neo-edwardianische Stil“, schwärmt er. „Also begann ich, diese Figuren zu zeichnen und sie schließlich auf Motorräder zu setzen.“

Diese ersten Skizzen zeigen, dass dynamische Bewegungen vom ersten Tag an ein essenzieller Bestandteil des Designs waren.

Damals hatte das Spiel ein ganz anderes Feeling – und klang auch ganz anders. „Es war düsterer und esoterischer“, so Flesser. „Wir hatten Musik mit äthiopischen, japanischen und Surf-Rock-Elementen ausgewählt. Von Popmusik keine Spur.“

„Wir werden ein paar Popsongs brauchen“

Als Flesser aber eine beschwingtere Hintergrundmusik ausprobierte, machte es klick. „Uns war sofort klar: Diese Art von Musik muss es sein“, sagt Flesser. „Und: Wir werden ein paar Popsongs brauchen.“

Flesser und das Team schöpften aus verschiedenen Einflüssen: schwedische Popmusik, der Eurovision Song Contest und Künstlerinnen und Künstler wie Chvrches, Sia und Charli XCX. Um den Sound noch auszufeilen, holte sich Flesser die Komponisten Daniel Olsén und Jonathan Eng ins Team. Für den Gesang sorgte die Sängerin und Cellistin Linnea Olsson, die Flesser ein Jahr zuvor zufällig bei einem Auftritt in einem Musikgeschäft kennengelernt hatte.

„Die Gaming-Kultur hat mir schon immer gefallen“, meint Olsson. „Aber ich habe einfach sehr viel Zeit damit verbracht, Cello zu üben.“ Als sie die ersten Bilder des Spiels sah, war sie begeistert. „Die weiblichen Figuren auf Motorrädern in einer apokalyptischen Zombie-Welt haben mich wirklich angesprochen.“

Die Gestalter Simon Flesser und Magnus ‚Gordon‘ Gardebäck in einem der seltenen ruhigen Momente.

„Die Reise zurück zum eigenen Groove“

Einer der glücklichsten Umstände war, Queen Latifah für die Voiceovers im Spiel zu gewinnen. „Wir traten auf gut Glück mit ihr in Verbindung“, so Flesser. Eines Nachts brachte er ihren Namen zur Sprache – zwei Wochen später waren die Aufnahmen im Kasten.

Das letzte Puzzleteil war die Geschichte – die selbst dann noch nicht ganz feststand, als das Team mit dem letzten Level begann. „Wir wussten nie wirklich, wie das Ende aussehen sollte“, erzählt Flesser. „Wir hatten die Idee, dass sich das Mädchen in eine Superheldin verwandelt, und ich wollte, dass es um die Reise zurück zum eigenen Groove geht. Das war aber schon alles.“

Also ließ sich Flesser ein letztes Mal vom Spiel die Richtung weisen. „Für mich macht es keinen Sinn, ein Ende zu erzwingen, wenn sich das Projekt noch entwickelt.“