HINTER DER APP

Planungs-App für Neurodivergente

Wie Kevin Reutter Planny barrierefrei macht.

Planny • Tagesplaner

To-Do Liste, Fokus, Teamwork

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Als Kevin Reutter mit der Arbeit an seiner Produktivitäts-App Planny begann, wusste er selbst noch nicht, dass er Autismus und ADHS hat – die Abkürzung steht für „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung“.

Die intensive Auseinandersetzung damit bestärkte den Hamburger Entwickler darin, mit seiner App dauerhaft eine ganz andere Richtung einzuschlagen und sich einer Mission zu verschreiben. Wie er das geschafft hat, erfährst du hier:

Die eigenen Erfahrungen nutzen

Planny ist ein Tagesplaner mit To-do-Listen und einem Fokustimer. Viel wichtiger ist aber die automatisierte Planungsfunktion, mit der du deine Aufgaben unkompliziert strukturierst und so einer möglichen Überlastung geschickt vorbeugst.

Die App-Features entstanden, nachdem Reutter klar wurde, dass ihm keine der bestehenden Lösungen wirklich weiterhalf. „Selbstorganisation war für mich eine unüberwindbare Hürde. Ich erstellte Listen mit hunderttausend Aufgaben, die irgendwann unerledigt blieben“, erklärt er. „Das brachte mich auf die Idee für eine Assistenz, die dir jeden Tag ein paar Aufgaben vorschlägt.“

Reutter konzentrierte sich auf das, was sich für ihn am wichtigsten anfühlte. Die Möglichkeit zur Vorausplanung hatte nicht nur einen sofortigen Effekt auf sein Leben, sondern auch darauf, wie er die Entwicklung von Planny strukturierte.

Die Einrichtung des Fokustimers brachte Reutters Projekt weiter voran. Das Tool zählt die Zeit bis zur nächsten Pause oder Arbeitsphase herunter. „Rückblickend sind das alles Funktionen, die ich immer gebraucht hätte. Mir wurde aber erst nach ihrer Entwicklung bewusst, wie sehr sie mir den Alltag erleichtern.“

Eine Diagnose und eine neue Perspektive

Während er mit Planny zugange war, machte sich Reutter auf die Suche nach seiner Diagnose – das Wissen darum sollte sein Leben und seine Arbeit entscheidend verändern.

„Dank der Diagnose bin ich besser in der Lage, anderen mein Verhalten zu erklären, damit sie mich beispielsweise nicht mehr für unhöflich oder desinteressiert halten“, so Reutter. „Alles ist ein bisschen einfacher, da ich ihnen vermitteln kann, dass ich lediglich meine Zeit und meinen Raum brauche. Das bestärkt mich.“

Nach meiner Diagnose konzentrierte ich mich viel stärker auf die Bedienfreundlichkeit.

– Kevin Reutter, Entwickler von Planny

Auf die Entwicklung von Planny blickte Reutter aus einer neurodivergenten Perspektive. „Ich konzentrierte mich viel stärker auf die Bedienfreundlichkeit und die Gestaltung einer schnörkellosen Oberfläche mit wenigen Buttons. Was mit der App alles möglich ist, sollte auf einen Blick ersichtlich sein.“

Reutter scheute auch nicht davor zurück, Funktionen zu entfernen: „Ich sah mir eingehend an, welche Features die Leute kaum benutzten oder die App nur unnötig kompliziert machten.“ Bei der Entwicklung seiner App hatte Reutter immer im Hinterkopf, dass seine Zielgruppe unaufdringliche Schlichtheit vorzieht. So entwickelte er eine App, die in erster Linie auf Klarheit setzt. Damit stach Planny aus der Masse heraus und erreichte immer mehr Menschen.

Funktionen für neurodivergente Menschen

Dank der automatisierten Vorausplanung stellst du dein Aufgabenpensum entspannt im Vorfeld zusammen und mit Routinen wirkst du der täglichen Grübelei entgegen. Beides zählt zu den beliebtesten und hilfreichsten Funktionen der App.

Das Fokus-Feature von Planny umfasst zudem einen Timer, der das Ablenkungspotenzial minimiert und dir per Live-Aktivität-Widget den jeweiligen Countdown anzeigt. So bewirkt die App in ihrer Gesamtheit einen entscheidenden Unterschied im Alltag – insbesondere von neurodivergenten Menschen, für die mangelnde Konzentration sehr belastend sein kann.

Reutter selbst gefällt aber eine andere Funktion am besten: „Wenn du am Ende des Tages alle Aufgaben erledigt hast, feiert die App deinen Erfolg mit einem Konfettiregen. Für Menschen mit Autismus und ADHS fühlt sich das besonders erfüllend an.“

Barrierefreie Appgestaltung

Reutter freut sich, dass Planny den Menschen hilft. Bei Erfahrungsberichten von seiner Community und seinen Kund:innen wird ihm besonders warm ums Herz. „Einmal bedankte sich eine 40-jährige alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, weil sie auch mit Autismus und ADHS lebt und die App ihr den kompletten Alltag erleichtert – in erster Linie die Haushaltsorganisation“, erinnert er sich. „In solchen Momenten weißt du, wofür du das alles machst.“

Wer in der App-Entwicklung tätig ist, sollte nicht vergessen, dass auch neurodivergente Menschen zum Zielpublikum gehören und ein barrierefreies und bedienfreundliches Design daher besonders entscheidend ist. Reutter hat ein paar Tipps: „Neben einer klaren Sprache ist auch eine schlichte Gestaltung ohne Tausende von Funktionen wichtig. Um Reizüberflutungen zu vermeiden, solltest du nicht zu viele visuelle Effekte einsetzen. Aussagekräftige Animationen sind immer sehr hilfreich, allerdings in Maßen. Geräusche und sonstige akustische Signale reduzierst du besser auf ein Minimum. Flexible Anpassungsoptionen sind ebenfalls ziemlich nützlich.“

Bei seiner Arbeit legt Reutter auch weiterhin Wert auf Barrierefreiheit für neurodivergente Menschen und seine Apps sind ein Beweis dafür, wozu eine einzige Person imstande ist. „Allein der App Store hat mir sehr geholfen. Für Entwickler:innen mit Autismus ist es besonders förderlich, nicht erst ein großes Unternehmen gründen, ein Team zusammenstellen oder investitionsfreudige Menschen überzeugen zu müssen – wir veröffentlichen unsere Apps auf der Plattform und finden so unser Publikum.“

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