UNSERE FAVORITEN

Low-Poly-Games in neuem Licht

Die billigen Plastikkameras in den 70er-Jahren waren für ihre Lichtlecks und andere Fehler berüchtigt. Kreative Fotografinnen und Fotografen erhoben jedoch genau diese Mängel zur künstlerischen Ausdrucksform und übernahmen sie in ihr Grundhandwerkzeug.

Beim Game-Design gab es eine ganz ähnliche Entwicklung. Da die Technologie früher starken Einschränkungen unterlag, ließen sich 3D-Grafiken hauptsächlich durch Low-Poly-Renderings erzeugen. Bei der Spielentwicklung wurde diese Technik auf kreative Weise genutzt, und mit der Zeit entstand aus den Low-Poly-Games ein weithin anerkanntes Genre mit ganz eigener Ästhetik.

Der Name ist von der relativ geringen Anzahl an Polygonen abgeleitet, die zur Erzeugung einer komplexen 3D-Form verwendet werden. Detailreichere Grafik erfordert im Allgemeinen mehr Polygone und wird dementsprechend auch als High-Poly-Grafik bezeichnet. Da Hardware damals jedoch noch nicht über die nötige Rechenleistung verfügte, erwies sich Low-Poly-Rendering als praktische Lösung zur schnellen Erzeugung von 3D-Grafik – allerdings zulasten der Details. Letztendlich wurde damit aber eine abstrakte geometrische Ästhetik erzielt, die sich auch weiterhin großer Beliebtheit erfreut und bis heute immer wieder imitiert wird.

Die Veröffentlichung von Tomb Raider auf der PlayStation im Jahr 1996 verhalf der Low-Poly-Technologie zum Durchbruch. Das Spiel führte durch eine für damalige Verhältnisse bemerkenswerte 3D-Umgebung, die Heldin Lara Croft wurde dabei jedoch nicht besonders detailliert dargestellt. Sie war kantig, steif, ausdruckslos und weit davon entfernt, als Mensch wahrgenommen zu werden. Tomb Raider wurde trotzdem zu einem Low-Poly-Klassiker und diente vielen weiteren Spielen als Vorbild.

Seither sind mehr als 20 Jahre vergangen, und trotz aller technischen Verbesserungen bei Spieldesign und 3D-Rendering sind im App Store noch immer jede Menge Low-Poly-Spiele erhältlich, und jedes von ihnen hat seinen ganz eigenen Charme.

Festival der Farben

Das Design von PARADE! - The Rhythm Battle ist der Welt von Lara Croft sehr ähnlich: Der Hauptcharakter hat keine Gesichtszüge, und die an der Parade teilnehmenden Tiere sind genauso kantig. Das Spiel ist ganz und gar nicht realistisch, und genau darum geht's. Durch Farben und niedliche Designs wird eine Cartoon-artige Welt erschaffen, die zum Spielen anregt. Und genau wie Tomb Raider enthält auch dieses 3D-Game 360-Grad-Perspektiven, die das Spiel noch lebendiger machen.

In PARADE! muss getippt und gewischt werden, und zwar im Takt der auf der Straße marschierenden und tanzenden Tiere. Wenn du die Rhythmuspfeile in die richtige Reihenfolge bringst, schließt sich das Tier dem Umzug an. Das Spiel beginnt als Side-Scroller, in dem die Tanzbewegungen der Tiere deutlich zu erkennen sind. Der Blickwinkel ändert sich jedoch, je mehr Tiere an der Parade teilnehmen. Manchmal siehst du die hüpfenden und tanzenden Tiere von vorne. Dann wird dir die Parade jedoch aus einiger Entfernung gezeigt. Spätestens jetzt wird es deutlich schwieriger, denn die Rhythmuspfeile werden immer kleiner.

Unfassbare optische Täuschungen

Wenn wir über Low-Poly-Games reden, darf auch der Indie-Hit Monument Valley nicht unerwähnt bleiben. Bei diesem Spiel hat das Entwicklungsstudio Ustwo eine faszinierende Welt voller optischer Täuschungen aus genial verknüpften Low-Poly-Netzen erschaffen. Die Herausforderung besteht darin, die Heldin Prinzessin Ida unfassbare Bauwerke auf einem sich hinaufschlängelnden Pfad erklimmen zu lassen.

Das Spiel ist in jeder Hinsicht minimalistisch. Sogar Idas Kopf ist nur eine glatte Kugel. Doch das Design und die schlichte Farbpalette erwiesen sich als eine einzigartige Kombination, die schnell Aufmerksamkeit erlangte. Im Jahr 2014 erschien das Spiel im App Store und erfreute sich überschwänglicher Kritik. Noch im selben Jahr wurde es mit dem Apple Design Award ausgezeichnet. Die Fortsetzung Monument Valley 2 baut auf den bisherigen optischen Täuschungen und Rätseln auf. Allerdings gibt es jetzt noch einen zusätzlichen Handlungsstrang rund um eine Mutter und ihre Tochter und deren Reise durch eine verzauberte Welt.

Tiefenwahrnehmung

Low-Poly-Grafik und realistische Details schließen einander ja eigentlich aus, aber das Entwicklungsstudio Crescent Moon Games hat sich etwas einfallen lassen. Das Ergebnis – Morphite – ist ziemlich beeindruckend. Du spielst eine junge Frau, die einen fernen unbekannten Planeten erkundet und allmählich einem noch größeren Geheimnis auf die Spur kommt.

Das Design ist nicht weniger faszinierend. Auf den ersten Blick besteht die Umgebung aus jeder Menge akribisch dargestellten Elementen wie Hügellandschaften, alten Tempeln und seltsamen Wesen. Doch bei näherer Betrachtung kommt eindeutig Low-Poly-Grafik zum Vorschein. Durch raffinierte Licht- und Schatteneffekte ist es dem Entwicklungsstudio gelungen, der geometrischen Welt ein Gefühl unermesslicher Tiefe zu verleihen, um für ein außergewöhnlich fesselndes Gameplay zu sorgen.